Hallo liebe Moebahner,

zum dritten und letzten Teil von „Das erste Mal in Amerika“ möchte ich euch ganz herzlich begrüßen. Im letzten Teil haben wir uns in der US-amerikanischen Hauptstadt, in Washington D.C., umgesehen und dabei Einblicke in den historischen und modernen Nahverkehr vor Ort bekommen. Vielen Dank für euer Feedback und Glückwunsch an H. Norfried V., der das „Easter Egg“ in Bild 13 entdeckt hat. Zugegeben, wirklich klein war es nicht ;-)

Wer sich diesen zweiten Teil nochmal anschauen möchte, findet ihn unter folgendem Link: Link zu Teil 2

Teil 3 startet am Montag, den 7. Mai 2018. Am Nachmittag des Vortages sind wir in Washington D.C. in den „Capitol Limited“ mit seinen Superliner-Wagen gestiegen, um nach Chicago zu kommen. Diese Fahrt war dabei ein ganz besonderes Erlebnis: Der Blick durch die Fenster des Sightseer Lounge car auf die Landschaft war grandios, das Abendessen und das Frühstück waren köstlich und die Gespräche mit den anderen Fahrgästen überaus interessant.


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Auch die Gleise der Union Station in Chicago sind überbaut, sodass man keine Gelegenheit für vernünftige Fotos hat. Ein Bild „meines“ Zuges sollte dann nach der Ankunft dennoch sein: 2 von 207 Lokomotiven des Typs „P42DC“ von Amtrak haben den „Capitol Limited“ nach Chicago gebracht. Diese Diesel-elektrischen Lokomotiven von General Electric erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 177 km/h und sind außerhalb des Northeast Corridors vor den meisten langlaufenden Fernzügen von Amtrak zu finden.

In Chicago, das am Südwestufer des Michigansees im Bundesstaat Illinois liegt und als „Windy City“ bekannt ist, sind rund 2,7 Millionen Menschen heimisch. Sie ist damit die drittgrößte Stadt der Vereinigten Staaten. In der gesamten Metropolregion, die sich in 9 verschiedenen Countys der Bundesstaaten Illinois, Indiana und Wisconsin erstreckt, leben rund 9,5 Millionen Menschen. Die Stadt ist bekannt für ihre Architektur, eine von Wolkenkratzern dominierte Skyline, zahlreiche Museen und Galerien, den „Chicago-Jazz“ sowie traurigerweise als Mordhauptstadt der USA mit Gangster-Vergangenheit (hier lebten und wirkten u.a. Bugs Moran, Johnny Torrio und Al Capone in den 1920er Jahren), in der durchschnittlich jeden Tag 2 Menschen getötet werden.


Bild 2
Chicago verfügt mit der Chicago Elevated, umgangssprachlich als „L“ bezeichnet, über ein Hoch- und U-Bahn-System mit einer Streckenlänge von 170 km, das werktäglich von etwa 770.000 Fahrgästen genutzt wird und nach Fahrgastzahlen das drittgrößte in den USA ist (nach der New Yorker Subway und der Metro in Washington D.C.). Mehr als die Hälfte der Strecken ist dabei als Hochbahn ausgeführt. Eine Besonderheit des Netzes ist der „Loop“, ein Hochbahnring, der den betrieblichen Mittelpunkt des Liniennetzes bildet. Er verläuft als Ringlinie in etwa acht Metern Höhe über Straßen aufgeständert und umschließt den Kern der Innenstadt von Chicago. Hier zu sehen oberhalb der Kreuzung W Adams St und S Wells St in der Nähe der Station Quincy.


Bild 3
Die „L“ nahm am 6. Juni 1892 auf ihrem ersten Hochbahnabschnitt ihren Betrieb auf, damals noch mit Dampfbetrieb. Heute besteht das Netz, das von der Chicago Transit Authority (CTA) betrieben wird, aus 8 Linien, die nach verschiedenen Farben benannt sind. Hier zum Beispiel die Brown Line, die zwischen Kimball im Nordwesten der Stadt und dem Loop verkehrt, mit einem 4-Wagen-Zug der von 1992 bis 1994 von Morrison-Knudsen gebauten Baureihe 3200 zwischen den im Jahr 1900 eröffneten Stationen Armitage und Sedgwick.


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Im Berufsverkehr wird die Brown Line auf 8-Wagen-Züge verstärkt. Zudem wird sie zwischen der Innenstadt und dem Verzweigungsbahnhof Belmont durch die Purple Line verstärkt, die sonst nur im Norden der Stadt zwischen Linden und Howard pendelt. Während die Brown und die Purple Line zwischen den Stationen Fullerton und Belmont auf den äußeren Gleisen fahren und an jeder Station halten, ist das mittlere Gleispaar der Red Line vorbehalten, die auf diesem Abschnitt ohne Zwischenhalte Express fährt. Hier sehen wir einen Zug der Brown Line kurz vor Erreichen des Bahnhofs Diversey.


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Fahren wir nun in Richtung Innenstadt und schauen mal von oben auf den „Loop“: Eine Rarität ist die niveaugleiche Kreuzung zweier zweigleisiger Strecken an der Nordwest-Ecke des „Loops“ mit zahlreichen Verbindungsweichen auf engstem Raum, die den Streckenwechsel in drei Richtungen und den Wechsel auf das Gleis der Gegenrichtung ermöglichen, hier mit einem Zug der Brown Line aus Richtung Kimball.


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Auf dem „Loop“ zwängen sich die Züge der „Elevated“ durch die engen Häuserschluchten von Station zu Station, hier mit einem 4-Wagen-Zug der neuesten Baureihe 5000, die zwischen 2009 und 2015 von Bombardier Transportation gebaut wurde und als erste im Fuhrpark der CTA mit Drehstrommotoren ausgerüstet sind, zwischen den Stationen Washington/Wells und Quincy.


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Die Hochbahnschleife „Loop“ im Zentrum Chicagos wurde zwischen 1985 und 1897 eröffnet, verfügt über 8 Bahnhöfe und ist etwa 2,9 km lang. Ihr kleinster Kurvenradius beträgt 27 m. Von den 8 Linien der „L“ verkehren 5 ganz über den Loop und nutzen diesen als Wendemöglichkeit bzw. befahren ihn auf Teilabschnitten. Hier ein 4-Wagen-Zug der Brown Line auf Wendefahrt über den Loop zwischen den Stationen Washington/Wells und Quincy.

Aus Deutschland kennen wir Schnellbahnstrecken, die im Mittelstreifen von Schnellstraßen angelegt sind. Eines der bekanntesten Beispiele ist dabei die Strecke der U18, die zwischen Essen und Mülheim an der Ruhr den Mittelstreifen des „Ruhrschnellwegs“, der A40, nutzt, der dort über vier Spuren verfügt.


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Wie versprochen ist in Amerika alles etwas größer, so auch der 14-spurige Dan Ryan Expressway, in dessen Mittelstreifen die Red Line der „L“ in Richtung 95th/Dan Ryan fährt, hier kurz vor der Station Sox–35th.


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Die Hochbahnstrecken der „L“ bestehen aus einer Stahlkonstruktion, auf die die Schwellen der Gleise direkt montiert sind. Dadurch sind die Hochbahnstrecken „undicht“ und übertragen Körperschall besonders gut – hier am Beispiel der 1893 eröffneten Station Ashland, die von den Zügen der Pink Line (im Bild) sowie der Green Line bedient werden.


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Zwischen der Station Merchandise Mart und dem Loop überqueren die Brown Line und die Purple Line den Chicago River mittels der Wells Street Bridge. Diese 1922 eröffnete doppelstöckige Klappbrücke wird auf der unteren Ebene durch Fußgänger, Radfahrer und Pkw genutzt, während auf der oberen Ebene die Züge der „L“ entlangrattern. Von der westlich gelegenen Franklin Street Bridge hat der Betrachter so einen beeindruckenden Blick in das Geschäftszentrum der Stadt und auf den 251 km langen Chicago River, dessen Wasser jährlich zum St. Patrick’s Day grün gefärbt wird und der vom Lake Michigan gespeist wird.


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Einen einmaligen und unvergesslichen Blick auf den Lake Michigan mit seinem blauen Wasser, die Stadt Chicago und in die Vororte hat man vom 1974 eröffneten Willis Tower, der bis ins Jahr 2009 den Namen Sears Tower trug. Von der 412 m hoch gelegenen Besucherplattform im 103. Stock (Skydeck) kann man an manchen Tagen bis zu 80 km weit in vier verschiedene Bundesstaaten blicken. Zwei Aufzüge bringen die Besucher mit rund 8 m/s (das entspricht einer Geschwindigkeit von 28,8 km/h bzw. 480 Metern pro Minute) in 45 Sekunden auf das Skydeck.

An der Westseite der Fassade des Willis Towers wurden im Jahr 2009 drei geschlossene Glasbalkone montiert. Diese erlauben es dem Besucher, auf einer Glasplatte zu stehen, die nur an einer Seite an der Turmfassade befestigt und sonst frei ist, und somit durch den Glasboden 412 Meter in die Tiefe zu schauen – ein absoluter Adrenalinkick!


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Die Züge des Vorortverkehrs von Chicago werden größtenteils von „METRA“ betrieben, einem Nahverkehrsnetz, das 242 Bahnhöfe auf 11 verschiedenen Strecken bedient. Es finden sich drei zentrale Knotenpunkte in der Innenstadt von Chicago, die die jeweiligen Endhaltestellen des METRA-Systems darstellen: die Millennium Station, das Ogilvie Transportation Center sowie die Chicago Union Station – hier im Bild mit einem ausfahrenden Zug in Richtung Süden, der mit einer Lok des Typs F40PH bespannt ist, vor der Skyline der Stadt, die vom 527 m hohen Willis Tower geprägt wird.


Bild 12
Deutlich windschnittiger als die Lokomotiven des Typs F40PH wirken die zwischen 2003 und 2004 gelieferten Diesel-elektrischen Loks des Typs MP36PH, hier mit einem Zug des Rock Island District kurz vor Erreichen der Station Jones/Bronzeville (35th Street).

Ein weiterer Anbieter von Vorortzügen in der Region um Chicago ist die Northern Indiana Commuter Transportation District (NICTD). Diese bedient mit ihren elektrischen Triebzügen entlang des südlichen Ufers des Lake Michigan die zwischen 1901 und 1908 gebaute 140 km lange South Shore Line zwischen der Millennium Station in Chicago und dem South Bend International Airport in South Bend, Indiana. Dabei befahren die bis zu 20 Züge pro Tag und Richtung nicht nur klassische Eisenbahninfrastruktur auf einer unabhängigen Trasse, sondern auch einen rund 2 km Abschnitt, der im Straßenraum trassiert ist – eines der wohl letzten Stücke der einst weitverbreiteten „Interurbans“.


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Dieses Stück liegt in der über 30.000 Einwohner zählenden Stadt Michigan City, im Bundesstaat Indiana, rund 60 km östlich von Chicago und erfüllt die folgenden Kriterien für eine „Interurban“: elektrischer Betrieb, hauptsächlich im Personenverkehr (Güterverkehr findet zusätzlich statt), mit schwereren und schnelleren Fahrzeugen als bei Straßenbahnen, innerstädtisch trassiert im Straßenraum sowie außerhalb der Städte unabhängig trassiert.


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Ihre Blütezeit erlebten die Interurbans zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als hauptsächlich in den Bundesstaaten Indiana, Ohio, Pennsylvania, Illinois, Iowa, Utah und Kalifornien solche Strecken angelegt wurden. Binnen 16 Jahren, im Zeitraum zwischen 1900 und 1916, vergrößerte sich das Netz um das 7-fache: Von 3.000 km auf über 25.000 km Streckenlänge. Auf der South Shore Line kommen heute sowohl einstöckige Trieb- und Beiwagen, gebaut zwischen 1982 bis 2001 von Nippon Sharyo, als auch doppelstöckige „Highliner II“-Triebwagen, gebaut 2009, ebenfalls von Nippon Sharyo, zum Einsatz.


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Bereits ab den 1920er und 1930er Jahren endete die Blütezeit vieler Interurbans: Sie waren unwirtschaftlich geworden, wurden als Sicherheitsrisiko im Straßenraum gesehen oder standen dem Siegeszug des Automobils im Weg. So gibt es auch für die South Shore Line seit Jahren Planungen, den straßenbündigen Abschnitt durch Michigan City stillzulegen und stattdessen eine neue, unabhängig trassierte Strecke, anzulegen.


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Bleibt zu hoffen, dass uns dieser letzte klassische Abschnitt der South Shore Line entlang der 10th und der 11th Street in Michigan City noch lange erhalten bleibt.

Nach 5 aufregenden Tagen hieß es am Freitag, den 11. Mai 2018 von der „Windy City“ Abschied zu nehmen. Mit einem Inlandsflug der Delta Airlines ging es vom O’Hare Airport in Chicago zurück zum Startpunkt der Reise, zum John-F.-Kennedy-Airport in New York City.


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Dort verkehrt seit Ende 2003 der „AirTrain“, eine fahrerlose Bahn, die den Flughafen John-F.-Kennedy an die New York City Subway und die Vorortzüge der Long Island Railroad anschließt. Daneben dient der AirTrain JFK der Verbindung der einzelnen Terminals innerhalb des Flughafengeländes.


Bild 18
Nach einer letzten Nacht in New York City, dieses Mal in einem kleinen Hotel mit noch kleineren Zimmern direkt in Manhattan, ging es dann am Samstag, den 12. Mai 2018 über den „Großen Teich“ zurück ins heimische Düsseldorf. Was von dieser Reise bleibt, sind wahrlich einmalige Eindrücke von einem Land, das groß, abwechslungsreich und dessen Kontraste fesselnd sind: Aufstieg und Niedergang, Arm und Reich, Neu und Alt liegen oft nur einen Häuserblock voneinander entfernt.

Für euer Interesse an meiner Reise möchte ich mich herzlich bedanken und hoffe, bei euch das „Reisefieber“ für einen Urlaub in den USA geweckt zu haben.